Nachhaltigkeit. Ein aktuell viel verwendeter Begriff. Aber wie ist er eigentlich definiert.
Der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft und ist schon mehr als 300 Jahre alt.
Hans Carl von Carlowitz übertrug ihn in seinem Buch von 1713 auf die Forstwirtschaft. Mit nachhaltigem Wirtschaften sollte ein stabiles Gleichgewicht im Wald erreicht werden. Das Prinzip nur so viele Bäume abholzen, wie in absehbarer Zeit nachwachsen, hält den Bestand konstant.
Die 1983 von den Vereinten Nationen unter Leitung von Gro Harlem Brundtland (ehemalige norwegische Ministerpräsidentin) eingesetzte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung übertrug diesen Begriff in ihrem Abschlussbericht von 1987 in ein allgemeingültiges Prinzip:
„Die Menschheit ist in der Lage, die Entwicklung nachhaltig zu gestalten, d. h. sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“
Leider ist danach außer vielen schönen Reden nicht viel passiert.
Erst 2015 formulierte die UN-Vollversammlung die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, um innerhalb von 15 Jahren die Lebensverhältnisse weltweit zu verbessern.
Das Konzept beruht auf 3 Säulen: wirtschaftlicher Fortschritt, soziale Gerechtigkeit und Schutz der Umwelt.
Inzwischen ist die Frage nachhaltiger Entwicklung immer drängender geworden. Klimawandel, Umweltverschmutzung und schwindende natürliche Ressourcen. Drei globale Probleme, die sich auch nur global lösen lassen.
Aktuelle Entwicklungen
Die letzte Generation hat mit ihren spektakulären Aktionen, die unsere normalen Tagesabläufe erheblich gestört haben, erreicht, dass das Thema Klimawandel wieder stärker in den Fokus gerückt. Ob es erlaubt ist, sich auf Straßen oder Startbahnen festzukleben, kann man kontrovers diskutieren. Was hier aber klar zum Ausdruck kommt, ist die große Verzweiflung der jungen Generation, die keine andere Möglichkeit mehr sieht, sich Gehör zu verschaffen.
Was nützen gute Ratschläge, lieber den mühsamen Weg durch die politischen Parteien zu gehen, wenn die Zeit, die zum Handeln bleibt, immer knapper wird. Sind einmal die Kipppunkte des Klimawandels erreicht, ist es zu spät.
2015 wurde in Paris das 1,5° Ziel festgeschrieben. In Deutschland müssen wir leider feststellen, dass die gesetzten und notwendigen Ziele zur CO2 -Reduktion 2021 verfehlt wurden und so wie es aussieht, 2022 auch wieder weit verfehlt werden. Deshalb ist es wichtig, dass jeder seinen Beitrag leistet. Jeder private Haushalt, jeder Industrie-/Handwerksbetrieb und auch jede Behörde/Institution.
Regelungen zum Thema Nachhaltigkeit
- 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Developement Goals).Sie sind Basis der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
- Europäischer Green Deal. Verkündet im Dezember 2019, konkrete Gesetzesvorschläge werden nach und nach erarbeitet, sie müssen danach in nationales Recht übernommen werden. Dieser Prozess kann noch einige Jahre dauern.
- Lieferkettengesetz (Deutschland 2021).Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette.
Interessante Fakten zu den CO2-Emissionen
Aktuell hat der Gesundheitssektor einen Anteil von 4,4% an der globalen Treibhausemission, die häufig an den Pranger gestellte Luftfahrt „nur“ 2,8%. Das zeigt welche Bedeutung dem Gesundheitssektor, nicht allein der Pharmaindustrie, bei der Reduktion der Treibhausgase zukommt.
Aber der Carbon-Footprint ist nur ein Teil des sehr komplexen Begriffes der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit – ein hochkomplexes Thema
Ein so komplexes Thema wie Nachhaltigkeit hat zahlreiche Facetten. Die wichtigsten Oberbegriffe sind:
Umweltschutz: umweltfreundliche Verpackungen, Abwasserproblematik, Einsparung von Lösungsmitteln und Kreislaufwirtschaft.
Energieeffizienz: Gebäudesanierung, Herstellungsprozesse, Fertigung und Logistik.
Soziale Verantwortung: Sie ist Bestandteil der sogenannten ESG- Kriterien. Environmental, Social, Governance. (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung)
Verlagerung der Fertigung nach Deutschland/Europa: Sicherheit der Arzneimittelversorgung und Energieeinsparung.
Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Begriffe im Bereich Umweltschutz erklären und aktuelle Entwicklungen aufzeigen. Denn in vielen Bereichen gibt es interessante Ansätze für ein nachhaltigeres/umweltfreundlicheres Wirtschaften.
Zum Thema Energieeffizienz gibt es bereits Beiträge auf Instagram und auf der Homepage von OC-Recruitment.
Umweltschutz
Verpackungen
Auf der Fachpack 2021 in Nürnberg, einer der wichtigsten Messen für die europäische Verpackungsindustrie, wurden mit dem Fachpack Trendradar 2021 die Verpackungstrends für die nächsten drei bis fünf Jahre erhoben.1)
Das Ergebnis zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit die größte Bedeutung hat. Es besetzt die Plätze eins bis drei.
- Erhöhung des Rezyklat Einsatzes in Neuprodukten.
Das Recycling von Kunststoffen und die Verwendung von Kunststoffrezyklaten schont Primärrohstoffe und gegenüber dem Einsatz von Rohöl werden die CO2 Emissionen deutlich reduziert. - Einsatz von Monomaterialien
Dies ermöglicht eine bessere Trennbarkeit beim Recycling und ergibt ein höherwertiges Produkt als Rezyklate aus einem Materialmix. Nur so wird die Idee einer Kreislaufwirtschaft in den nächsten Jahren umsetzbar. - Ressourcenschonende Verpackung
Durch Materialeinsparungen werden wesentlich weniger Primärressourcen benötigt.
Die sehr stark durch Gesetze regulierte Pharmaindustrie hat etwas später als andere Branchen begonnen sich auch bei den Verpackungen mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.2)
Bei Arzneimitteln steht die Patientensicherheit an erster Stelle. Deshalb gibt es strenge Gesetze zur Qualitätssicherung, die eine Umstellung auf nachhaltigere Verfahren erschweren können. Das betrifft beispielsweise hygienische Aspekte bei Herstellung und Verpackung, aber auch besondere Anforderungen an Verpackungsmaterialien bezüglich Stabilität und Wasserdampf- oder Sauerstoffdichtigkeit, Fälschungsschutz, Kindersicherheit u.v.a.m.
Alle diese Kriterien werden im Rahmen der Zulassung festgelegt. Bei Änderungen muss darauf geachtet werden, dass dadurch nicht die Zulassung erlischt. Deshalb müssen neue Verpackungsmaterialien eine Konformitätsprüfung durchlaufen und von der EMA (Europäische Arzneimittelbehörde) genehmigt werden. Besonders kritisch werden dabei die sogenannten Primärpackmittel geprüft. Das sind die Packmittel, die direkt mit dem Arzneimittel in Kontakt kommen. Aber trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen sind umweltfreundlichere Verpackungen auch im Pharmabereich möglich.2)
Dazu einige Beispiele:
- Fasern aus zertifiziert nachwachsenden Rohstoffen für Faltschachteln aus Papier.
- Ersatz von Kunststoffeinsätzen für zerbrechliche Ampullen oder Spritzen durch faserbasierte Materialien.
- Sogar für die lange unverzichtbaren Blisterverpackungen aus PVC und Aluminium gibt es inzwischen Tiefziehfolien aus Polypropylen, halogenfrei und kreislauffähig. Seit neuestem gibt es sogar Folien aus nachwachsenden Biopolymeren, die noch zusätzlich die CO2 Bilanz verbessern.
- Sanofi verfolgt einen Ansatz, der den Patienten mit einbezieht. In UK wurde gemeinsam mit TerraCycle ein Rücknahmesystem für leere Blisterpackungen ins Leben gerufen. Sie werden in teilnehmenden Apotheken von Patienten abgegeben und anschießend von TerraCycle zu wiederverwendbaren Rohstoffen recycelt.
Abwasserproblematik
Die Belastung des Abwassers mit pharmakologisch wirksamen Substanzen resultiert aus unterschiedlichen Quellen. Erstens gelangen geringe Mengen bei der Herstellung von Arzneimittelrohstoffen oder Fertigarzneimitteln in das Abwasser. Aber auch die Anwendung durch den Patienten trägt zur Abwasserbelastung bei. Über die Ausscheidung in Harn und Faeces oder auch beim Reinigen der Hände nach dem Aufbringen einer Creme oder Salbe gelangen pharmakologisch wirksame Substanzen in die Umwelt.
Da Kläranlagen diese Rückstände zum größten Teil nicht eliminieren, werden Rückstände von Arzneimitteln oder deren Metaboliten flächendeckend im Bereich von Kläranlagen und auch in Bächen, Flüssen oder Seen sowie teilweise im Grundwasser oder Trinkwasser nachgewiesen. Tierarzneimittel gelangen überwiegend durch das Ausbringen von Gülle und Mist auf landwirtschaftlich genutzte Flächen und von dort in die Nahrungskette. Die Konzentrationen dieser Rückstände sind meisten sehr gering und liegen im Bereich von 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Da die Bevölkerung immer älter wird, ist mit einer Zunahme der Belastung zu rechnen. Deshalb werden Maßnahmen zur Reduktion dieser Einbringung in die Umwelt immer drängender.3)
Dabei kann jeder mithelfen. Denn ca. 8-10% der Medikamentenrückstände werden durch eine falsche Entsorgung durch Toilette oder Ausguss verursacht. Tipps zur richtigen Entsorgung findet man auf der Homepage des Bundesumweltministeriums.
Einsparung von Lösungsmitteln
Die Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen ist sehr energieaufwendig. Darüber hinaus gelangen nicht benötigte Reaktionsprodukt über das Abwasser in die Umwelt. Auch werden bei chemischen Reaktionen große Mengen an Lösungsmitteln benötigt, die die Ökobilanz zusätzlich belasten.
Deshalb hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) mit Hilfe der Mechanochemie umweltfreundlichere Verfahren zur Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen entwickelt. Wie der Name beinhaltet nutzt die Mechanochemie mechanische Verfahren, wie Kugelmahlen oder Resonanzmischen, um eine chemische Reaktion in Gang zu setzen. So kann auf die Zuführung von thermischer Energie und Lösungsmittel weitgehend verzichtet werden. Chemische und physikalische Umwandlungen werden mit mechanischer Kraft ausgelöst.4)
Eine kürzlich durchgeführte israelische Studie hat gezeigt, dass sich mit einer Umstellung der Wirkstoffproduktion auf Mechanochemie die Ökotoxizität und CO2 Emissionen der Branche um mehr als 85% reduzieren ließen bei gleichzeitiger Reduktion der Herstellkosten.4)
In einem Verbundprojekt von 7 europäischen Ländern (IMPACTIVE) werden aktuell 6 Arzneimittelwirkstoffe ohne Lösungsmittel hergestellt. Auch sollen dabei die bisher unbekannten mechanistischen Vorgänge im Detail erforscht werden.
Kreislaufwirtschaft
Deutschland war über einige Jahrzehnte eine Wegwerfgesellschaft (Linearwirtschaft), bis in den 70er Jahren bei einigen ein Umdenken begann. Es setzte sich langsam die Einsicht durch, dass die Ressourcen, die uns auf der Erde zur Verfügung stehen, begrenzt sind und sich nicht erneuern. Deshalb macht es keinen Sinn, Dinge einfach wegzuwerfen, sondern ein regeneratives System zu entwickeln, in dem Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emissionen und Energieaufwand durch Energie- und Materialkreisläufe minimiert werden. Ziele dabei sind langlebige Konstruktionen, Reparaturmöglichkeiten und Wiederverwendung zu schaffen bzw. zu ermöglichen. Als letzte Möglichkeit bleibt noch das Recycling, das aber meistens energiereichere Prozesse benötigt und zu höheren CO2 Emissionen führt als die vorher genannten Möglichkeiten.
Es dauerte aber noch bis zum Jahr 1990 bis der britische Wirtschaftswissenschaftler David W. Pearce das Konzept der Kreislaufwirtschaft aus den Ansätzen der industriellen Ökologie entwickelte.
Literaturverzeichnis
1 https://www.packaging-360.com/whitepaper/trendradar-2021
2 https://www.fachpack.de/de/news/branchen-news/2022-branchennews- medikamentenverpackung-mgd0cjycro_pireport#
3 www.umweltbundesamt.de/daten/chemikalien/arzneimittelrueckstaende-in-der-umwelt#zahl-der-wirkstoffe-in-human-und-tierarzneimitteln
4 https://www.bam.de/Content/DE/Pressemitteilungen/2022/Material/2022-11-24-mechanochemie-projekt-impactive.html
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: pixabay.com
Abb.2: pixabay.com
Abb.3: Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kreislaufwirtschaft